@TurnOver: Deine Frage kann ich nicht in einem Satz beantworten
Vorab kann man zwei Dinge festhalten:
1. Das Naza-H macht genau das, was es laut Spezifikation soll, und das macht es meiner Ansicht nach auch ziemlich gut.
2. Auch wenn das Naza-H überzeugend funktioniert, es ist und bleibt unerlässlich, dass sich der Pilot mit den technischen Grundlagen eines Helis auseinandersetzt. Ein mechanisch schlecht aufgebauter Helikopter fliegt auch mit einem Naza nicht gescheit. Ich sage das ganz bewusst, weil bei den Multikopter Systemen von DJI nicht zu übersehen ist, dass es eine immer weiter steigende Anzahl Käufer gibt, die das System einfach nur als Plug&Play System kaufen, ohne sich mit wenigstens grundlegenden Zusammenhängen auseinandersetzen zu wollen (oder zu können). Bei einem Kopter mag das vielleicht noch angehen, bei einem Heli ist das aus Sicherheitsgründen ein No Go.
Folgende Dinge haben mir (als absolutem Helianfänger) gut gefallen:
1. Montage und Einstellarbeiten sind einfach und schnell erledigt. Das gilt zumindest dann, wenn das System mechanisch sauber aufgebaut ist und man sich am Anfang mit den Standardeinstellungen für die Gain Werte etc. begnügt. Der Assistent ist intuitiv gut bedienbar (halbwegs gescheite Englischkenntnisse vorausgesetzt) und ähnelt durchaus bekannten Assistenten wie beispielsweise der V-Stabi Softeware, was aber wohl in der Natur der Sache liegen dürfte.
2. Erfolgserlebnisse sind für einen Anfänger vorprogrammiert. Ich selbst bin ein lausiger Pilot, der eigentlich den ganzen Helikram schon verkaufen wollte, weil ich für diese Disziplin einfach zu doof bin. Auf Grund der guten Erfahrungen mit den Multikoptersystemen, habe ich meinen Helis mit einem Naza-H eine letzte Chance einräumen wollen. Bereits beim ersten Flug war ich extrem überrascht, wie leicht sich das System stabilisiert fliegen lässt. In Atti oder GPS ist es mir sofort gelungen, Platzrunden und Achten zu fliegen. Einen Koax Heli zu fliegen ist da fast schon schwerer. Im manuellen Modus würde ich das wohl bis heut nicht hinbekommen. Zwei Vereinskollegen hatten übrigens in der Zwischenzeit ähnlich positive Aha-Erlebnisse.
Was mir nicht gefallen hat, und das sind dann auch die Gründe, warum ich das System wieder verkauft habe:
1. Im Atti oder GPS Modus zu fliegen wird extrem schnell langweilig. Das System ist dermaßen gedrosselt, dass man eigentlich permanent mit den Knüppeln am Anschlag fliegt. So toll es im ersten Moment auch sein mag, endlich auch Helikopter fliegen zu können (was man eigentlich eben genau nicht kann), so schnell wird die Sache langweilig.
2. Die Einstellmöglichkeiten sind DJI-typisch extrem reduziert. So ist es beispielsweise eben genau nicht möglich, die maximalen Tiltwinkel in Atti und GPS zu verändern. Genau das wäre ideal ab dem Moment, in dem das derzeitige stabiliserte Fliegen langweilig wird, man sich aber noch nicht daran traut, die Bremsen zu lösen und im manuellen Modus zu fliegen. Etwas wie der Horizon Modus bei der MultiWii (volle Stabilisierung aber ohne Winkelbegrenzung) wäre toll, Einstellbarkeit des max. Tiltwinkels wäre ideal.
3. Die Dokumentation des Systems ist eine Zumutung. Die einzig nennenswerte Informationsquelle sind die Popups im Assitenten. Man bekommt zwar eine grobe Vorstellung darüber, wofür ein einzelner Gainwert gedacht ist, aber schon die erste Frage, nämlich in welchen Flugmodi die Einstellungen überhaupt wirken, bleibt unbeantwortet. Außerdem ist mir der Zusammenhang und die mögliche Abhängigkeit der einzelnen Parameter untereinander unklar geblieben. Leider habe ich weder die Fähigkeiten, noch die Zeit mir diese Zusammenhänge zu erfliegen. Und ehrlich gesagt, bei einem System der Preisklasse halte ich das für ziemlich daneben.
4. Ich werde den Verdacht nicht los, dass das Naza-H für DJI lediglich ein Abfallprodukt ist. Der Entwicklungsaufwand dürfte sich angesichts der übrigen, bereits existierenden Produktlinien in Grenzen gehalten haben, und solange das Naza-H keine (Support)Kosten verursacht, wird mitgenommen was mitzunehmen geht. Ich habe nicht den EIndruck, dass in der Helilinie das gleiche Herzblut steckt, wie in den Multikopterlinien. Beim Wookong-H haben die Nutzer nach den Bugfixes am Anfang Ewigkeiten keine Weiterentwicklungen mehr gesehen und das Naza-H entwickelt sich bereits in die gleiche Richtung. Autostart und -landing wurde erst in großen Tönen angekündigt und ist inzwischen still und leise wieder von der Agenda gestrichen worden (wobei ich das nicht als Verlust gesehen habe. Einen Heli zu starten ist ja nun wirklich leicht und sobald der abgehoben ist, kann ich sofort nach Atti oder GPS wechseln, und für die Landung habe ich irgendwo weiter oben ein Workaround beschrieben, welches einwandfrei funktioniert und eigentlich den Wunsch nach Autolanding gar nicht mehr aufkommen lässt). Obwohl ich mit großer Euphrie an das System rangegangen bin: für mich ist das System im jetzigen Zustand und mit der derzeitigigen Supportqualität ein tot geborenes Kind.
Was ich nicht verstanden habe (und mich deshalb auch nicht motivieren konnte, das System zu behalten):
1. Wo genau will DJI das Produkt im Markt platzieren? Ich bin den Eindruck nicht losgeworden, dass DJI es zur Stabilisierung von Helis verwenden will, die schwerpunktmäßig für Luftbildaufnahem eingesetzt werden. Meiner persönlichen Einschätzung nach macht das wenig Sinn, da Multikopter für diese Aufgabe wesentlich besser geeignet sind und sich deshalb auch entsprechend im Markt etabliert haben. Als reines Helisystem kann es eigentlich nicht vorgesehen gewesen sein. Der manuelle Modus ist prima, keine Frage, und es gibt ja auch eine Reihe eindrucksvoller 3D-Videos mit dem Naza. Nur ein Beast kann das auch, hat eine viel breitere Nutzerbasis und kostet nur einen Bruchteil. Ein V-Stabi wird von U. Rohner & Co im V-Stabi-Forum excellent und absolut vorbildlich supportet. Es bietet unglaublich viele Einstellmöglichkeiten um das System individuell anzupassen und hat u.a. als Highlight die wirklich hilfreiche Vibrationsanalyse. Das System kostet etwa soviel wie ein Naza, ist diesem von der Anpassbarkeit meilenweit voraus. Nicht identisch, aber durchaus ähnlich fällt der Vergleich mit einem HC3SX aus. Die Liste ließe sich vermutlich beliebig fortführen. Gegen die etablierten FBL-Systeme kann ein Naza nicht anstinken, auch wenn die Flugeigenschaften durchaus überzeugend sein mögen.
2. Wozu das System mit einem GPS ausgestattet ist, wird sich mir wohl nie erschließen. OK, es ist optional, aber gibt es etwas langweiligeres, als PH mit einem Helikopter? Wenn AP nicht der Grund für diese Option ist, wozu wurde es dann implementiert? Vor allem in amerikanischen Foren wurde lautstark nach einem RTH gerufen, aber die Kartoffel ist DJI wohl zu heiß. In dem Punkt haben sich die Jungs von Anfang an bedeckt gehalten.
Ich für meinen Teil habe das System deshalb wieder verkauft und für einen Appel und ein Ei mein HC3Base auf ein HC3SX upgraden lassen. Das hat zwar kein GPS (brauche ich auch nicht) und hat auch kein Baro (was ich vielleicht nützlich empfunden hätte), aber es bietet mir die Möglichkeit stabilsiert ohne Winkelbegrenzung zu fliegen, was für mich vollkommen ausreichend ist. Es ist gut dokumentiert und es gibt eine breite Userbasis, die man in diversen Foren als Wissenspeichen anzapfen kann. Das Naza-H ist in meinen Augen ein einziges Missverständnis und eine große verpasste Chance. Gescheites Marketing und ein ordentlicher Support vorausgesetzt, hätte man mit dem System durchaus etwas erreichen können. DJI hat es aber auf die gleiche Art und Weise in den Markt gedrückt, wie die Multikoppter Systeme. Was dort super funktioniert hat, muss mit einem Heli System in die Hose gehen. In dem Markt gibt es nämlich, im Gegensatz zum Multikopter Markt zum Zeitpunkt der Einführung der DJI Systeme, reichlich etablierte und erwiesenermaßen funktionsfähige Konkurrenz, so dass auf DJI System leider niemand gewartet hat. In der jetzigen Form wird das Naza-H meiner Ansicht nach nie über den Status eines Nischenproduktes hinaus kommen.